Milliardeninvestitionen an der Düsseldorfer „Kö“ – doch geht die Rechnungen auf?

Stand: 15:26 Uhr Fast schon an eine Kathedrale erinnert dieser Entwurf eines überdachten Einkaufs- und Genussboulevards, de der spanische Stararchitekt Santiago Calatrava für die Düsseldorfer Centrum-Gruppe an der Königsallee plant Diesen überdachten Einkaufs- und Genussboulevard plant der Stararchitekt Santiago Calatrava für die Düsseldorfer Centrum-Gruppe an der Königsallee Quelle: CENTRUM Gruppe / Santiago Calatrava LLC Die erste Einkaufsstraße der NRW-Landeshauptstadt gleicht in diesen Wochen einer Großbaustelle. Investoren glauben an das Potenzial der Königsallee – und setzen darauf, dass jenseits des Internets eine Zukunft für den stationären Handel besteht. Anzeige Anzeige

Wenn Christian Franzen und seine Frau Alexandra Gäste erwarten, schenken sie den Champagner pünktlich zur verabredeten Uhrzeit ein. Denn die Ausrede der Eingeladenen, das Zuhause des Paares leider erst nach längerer Suche gefunden zu haben, dürfte bei den Franzens nicht ziehen. Das Ehepaar lebt nämlich in einer der berühmtesten Straßen Deutschlands, der Düsseldorfer Königsallee – und ihr Nachname prangt gar in großen Buchstaben am Gebäude mit der Hausnummer 42. Noch jedenfalls.

Die Düsseldorfer Königsallee ist eine der exklusivsten Einkaufsmeilen Deutschlands Quelle: Olaf Döring/imageBROKER/picture alliance Anzeige

Denn im kommenden Jahr ziehen die Unternehmer mit ihrem gleichnamigen Geschenke- und Einrichtungshaus um, und damit müssen sie auch ihre Privatwohnung ein paar Stockwerke darüber verlassen. „Tatsächlich nehmen wir nach 100 Jahren Abschied von der Königsallee, und das schmerzt ganz schön“, räumt der 34-Jährige ein. „Ich bin hier aufgewachsen.“ Seine Urgroßeltern übernahmen das seit 1820 existierende Fachgeschäft im Jahr 1900; bis heute beraten und verkaufen die Franzens und ihre 50 Angestellten Haushaltsgegenstände wie Kochzubehör, Porzellan und Besteck sowie Uhren, Schmuck und Schreibwaren.

Dänisches Geschirr und Meißner Porzellan

Zum Warenangebot der Familie, zu der neben Christian Franzen auch sein Vater, sein Cousin und seine Cousine zählen, gehören insbesondere Marken mit oft großer Geschichte – etwa dänisches Geschirr, von dem auch Dänemarks derzeitige Königin Margarethe II. speisen soll, handbemalte Figuren aus Meißen und Zitronenpressen, die als Designklassiker gelten. Noch lässt sich die Ware in den meterhohen Schaufenstern bestaunen. Doch die Zeichen stehen offenbar schon auf Abschied – am Eingang wirbt ein Schild für einen „Großen Sale – bis zu 80 Prozent Rabatt“. Gleich nebenan klafft eine Lücke, in der bis vor Kurzem das Nachbargebäude stand; Bauzaunbanner verdecken das dahinter liegende Geschehen.

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Blieben die Flaneure überall dort auf der Königsallee stehen, wo Bagger- und Kranfahrer aktuell ihre Arbeit verrichten, kein einziger Euro würde ausgegeben. Denn die erste Einkaufsstraße der NRW-Landeshauptstadt gleicht in diesen Wochen – und wohl auf Jahre hin – einer Großbaustelle. Investoren glauben an deren Potenzial, setzen darauf, dass jenseits des Internets eine Zukunft für den stationären Handel besteht. Wenn nicht hier, wo dann, lautet das Motto, eilt dem etwa einen Kilometer langen und 87 Meter breiten Boulevard mit Wassergraben in der Mitte doch noch immer der Ruf einer allerfeinsten Adresse voraus. So manches Start-up mietete schon Büroflächen, die die Größe eines Gartenhäuschens kaum übertrafen, nur um „Königsallee“ im Briefkopf zu verwenden. Und so entstehen gleich mehrere „Paläste“ mit Tausenden Quadratmetern Fläche. Für die einen zum Geldverdienen, für die anderen zum Geldausgeben, ob nun für teuren Schmuck, ein neues Kostüm oder Kaviar an Mini-Pfannkuchen. In der ehemaligen Commerzbank, von der 60 Prozent Bausubstanz erhalten bleibt, eröffnet 2026 das Bürohaus „Le Coeur“, gleich gegenüber von Franzen auf der anderen Kö-Seite. Ein Mieter steht mit einer international agierenden britischen Anwaltskanzlei bereits fest. Auch das „Trinkaus Karree“ am nördlichen Kö-Ende erwacht unter anderem mit gehobener Gastronomie zu neuem Leben. Im Süden wiederum ragt bald ein Hochhaus mit Sockelgebäude und Terrasse in den Himmel; der „Kö“-Aldi, der sich dort erst vor wenigen Jahren angesiedelt hat, soll auch im neuen Gebäudekomplex Platz finden.

Das historische Carsch-Haus soll zu einem Kaufhaus des Westens (KaDeWe) nach Berliner Vorbild mit Gourmetetage umgebaut werden Quelle: © SIGNA Real Estate / David Chipperfield Architects

Viele Pkw-Parkplätze weichen auf der gesamten Kö breiteren Bürgersteigen; neue Außenlokale sollen Besucher von nah und fern zum längeren Verweilen und Konsumieren auf der Allee anregen. Und gegenüber dem Kaufhof-Gebäude, am Standort des historischen Carsch-Hauses am Heinrich-Heine-Platz, entsteht ein Ableger des Berliner Luxustempels KaDeWe. Und zwar verkehrsgünstig gelegen, direkt am Eingang zur Düsseldorfer Altstadt und mit U-Bahn-Anschluss. Bei all den Bauvorhaben bleibe die Kö „zukunftsfähig“, erklärte Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) unlängst.

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Wieso also ziehen die Franzens weg? Der Lärm überall um sie herum ließe sich wohl ignorieren, das offenbar überzeugende Angebot der Düsseldorfer Centrum-Gruppe, ihr Haus zu kaufen, nicht. Das 1998 von Uwe Reppegather in Düsseldorf gegründete Unternehmen ist spezialisiert auf die Projektentwicklung moderner Einzelhandelsflächen in Eins-a-Lagen in großen deutschen Städten wie München, Hamburg, Frankfurt am Main, Berlin und eben auch Düsseldorf.

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Einer der Eingänge zu dessen 37.000 Quadratmeter großen Areal namens „Calatrava-Boulevard“ entsteht gleich neben Franzen. Benannt nach dem spanischen Stararchitekten Salvador Calatrava, der zuletzt unter anderem die griechisch-orthodoxe Kirche am „Ground Zero“ in New York entwarf, bekommt Düsseldorf damit abermals einen Konsumtempel der Superlative – und das über einen Häuserblock hinweg und bei Baukosten von mehr als einer Milliarde Euro. Ab 2028 sollen die Menschen hier durch eine kathedralenähnliche Passage flanieren, vorbei an den Geschäften bekannter Luxus-Labels. Vom Gebäude der Franzens wird dann nur noch die Fassade existieren, der Rest der Immobilie geht in den Neubau über.

Umzug und Verkleinerung

Ihr neues Geschäft möchte die Familie Franzen im Frühjahr 2024 eröffnen, nur wenige Hundert Meter entfernt auf der autofreien Schadowstraße. Während die Nachbarn auf der Königsallee Chanel und Gucci heißen, werden es nach dem Umzug unter anderem Sportartikelhersteller, ein Händler hochwertiger Herrenmode sowie ein dänischer Anbieter von Silberschmuck sein. Im Vergleich zum bisherigen Standort klingt das weniger mondän – dafür lockt in der Fußgängerzone eine höhere Kundenfrequenz. Genau darauf zielen die Franzens ab. Der Umsatz stimme zwar aktuell noch, zumal es einen Onlineshop gibt. „Die Königsallee ist nur nicht mehr das, was sie vor zehn oder 15 Jahren war“, ist Franzen überzeugt. Die sehr zahlungskräftige Kundschaft, etwa aus dem Nahen Osten und China, komme zwar weiterhin. „Doch viele von diesen Besuchern steuerten bei uns gleich den inzwischen abgeschafften Tax-Free-Stand an, ohne sich im Laden umzusehen.“ Zudem zogen schon einige Multisortimentler weg, der Parfümhändler Douglas eröffnete seinen neuen Flagship-Store weiter südlich an der Kö. „Dessen Kunden kamen auch zu uns und fehlen jetzt.“

Die Landeshauptstadt Düsseldorf ist neben Köln einer der großen Einkaufsstädte in NRW Quelle: Martin Gerten/dpa/picture alliance

Im künftigen Franzen-Geschäft mit 800 statt bislang 1500 Quadratmetern hofft der Betriebswirt auf einen neuen, zuvor sehr genau überprüften Besucherstrom. „Wir sind überzeugt, dass wir an genau diesem Ort in Eins-a-Plus-Lage viel Publikum anziehen.“ Das solle mithilfe eines veränderten Konzepts mit mehr Erlebniselementen passieren, etwa durch Live-Kochen. Helfen könnte dabei auch die Nachbarschaft unweit der Schadowstraße: Keine Gehminute entfernt locken im von Stararchitekt Daniel Libeskind entworfenem Ensemble „Kö-Bogen I“ unter anderem Apple, Miele und Porsche mit exklusiv gestalteten Ladenlokalen, zudem hat sich dort die aus Süddeutschland stammende Kaufhauskette Breuninger etabliert.

Eine Wette auf die Zukunft

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Entgegen dem Trend, dass sich in Innenstädten vielerorts nur noch Mobilfunkanbieter und günstige Bekleidungsketten niederlassen, soll die Kö weiterhin eine High-End-Atmosphäre verströmen. Ob das Vorhaben der Investoren aufgeht, der stationäre Einkauf nach Ende der Pandemie und die Rückkehr ins Büro weiter zulegt, will Christian Franzen verfolgen. „Die Investoren wollen ihre Flächen vermieten, klar. Aber ob das klappt? Das sind alles mehr oder weniger Wetten auf die Zukunft.“ Seine Familie habe dieses Risiko als zu groß empfunden. „Wir wollen an einen etablierten Standort ziehen, der in den vergangenen Jahren stark aufgewertet wurde.“ Das sei an der Schadowstraße durch den Bau des Kö-Bogens und einer neuen unterirdischen U-Bahnlinie mit höherer Kundenfrequenz bereits jetzt gegeben, meint Christian Franzen.

Nur wohnen werden er und seine Familie dann nicht mehr über dem Geschäft. Es gilt also auch noch, ein neues Zuhause mit wohl weniger prominenter Adresse zu finden. Aber daran dürften sich die Besucher schon gewöhnen.

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