Künstlerin Martha Jungwirth wurde erst mit 70 Jahren entdeckt

Veröffentlicht am 14.09.2022 Autorenfoto Dr. Hoffmanns Redakteurin Kultur Martha Jungwirth Phereklos, aus der Serie “Memorial”, 2021 Quelle: VG Bild-Kunst Bonn 2022 Foto:Lisa Rastl 2021 Hier können Sie unsere WELT-Podcasts hören Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen. Podcast freigeben Trotz früher Ehrungen arbeitete Martha Jungwirth lange unter dem Radar der internationalen Kunstwelt. Erst mit 70 Jahren wurde sie entdeckt. Jetzt, zwölf Jahre später, zeigt die Kunsthalle Düsseldorf ihr temperamentvolles Werk in einer großen Ausstellung. Anzeige Anzeige

„Kommen zwei Arschlöscher zur Türe rein“. Dieser grobschlächtige Satz ist nicht der Anfang eines schlechten Witzes, sondern der Titel eines Bildes, das zurzeit in der Kunsthalle Düsseldorf hängt. Gemalt hat es Martha Jungwirth. Mit schnellen, wütenden Pinselstrichen skizzierte die Künstlerin eine Begegnung mit zwei Männern aus der Kunstwelt in ihrem Wiener Atelier.

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Martha Jungwirth ist eine versierte Malerin mit viel Temperament. Das zeigt nicht nur der Titel des Doppelporträts mit den beiden A-Männern, sondern es spiegelt sich vor allem in der Art und Weise, wie ihr breites Werk, aus dem jetzt rund 90 Werke aus den vergangenen 60 Jahren zu sehen sind, ausgestaltet ist.

Martha Jungwirth in ihrem Atelier vor dem Gemälde „Maja III“ Quelle: Martha Jungwirth / VG Bild-Kunst Bonn 2022 Foto: Hella Pohl

Was schon beim ersten Blick auffällt: Die Farben auf den Gemälden sind schnell und präzise aufgetragen, die Linienführung kraftvoll sicher. Ein großes Format wie das Triptychon „Memorial I“ bewältigt die Künstlerin mit der gleichen Kraft wie das kleine „Käferwesen“. Mit ihren 82 Jahren hat sie ein Œuvre geschaffen, dass einen Vergleich mit den Stars der Kunstszene ihrer Generation wie Gerhard Richter, Richard Serra oder Yayoi Kusama nicht scheuen muss.

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Und doch ist sie für eine breite Öffentlichkeit bislang noch immer eine Unbekannte. Dazu reicht ein Blick in ihr Ausstellungsverzeichnis. International wahrgenommen wird sie erst seit 2010. Damals kuratierte der Künstler Albert Oehlen im Museum Essl im österreichischen Klosterneuburg bei Wien eine Ausstellung, in der er den Werken Jungwirths einen eigenen Raum widmete. Seitdem wächst und wächst das Interesse bei Museen und renommierten Galerien – London, Athen, Zürich, Paris, New York und Tokio verzeichnet die Liste.

Nicht toleriert

Dabei hat Martha Jungwirth sich in den vergangenen Jahren nicht versteckt. Seit ihrem Studium an der Universität für angewandte Kunst in Wien hat sie stetig gemalt und aquarelliert. Schon der Start ihrer Laufbahn war vielversprechend. Mit 21 Jahren wurde sie mit dem Otto-Maurer-Preis geehrt, einer Auszeichnung für junge Künstlerinnen und Künstler, die in der Szene angesehen war. Und nur vier Jahre später wurde die damals 25-Jährige zur Documenta 6 nach Kassel eingeladen.

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Man müsste meinen, das sei die perfekte Ausgangsposition für eine erfolgreiche Laufbahn. Doch es wurde ruhig um die Künstlerin. „Einige haben schon gewusst, dass mein Werk gut ist“, sagt Martha Jungwirth jüngst dem TV-Sender „Arte“. Sie habe zwei, drei Sammler gehabt, aber insgesamt sei ihr Werk in Österreich nicht toleriert gewesen. „In Österreich dauert alles lang“, lautet ihr Resümee. Und im Rest der Welt ebenfalls müsste man hinzufügen.

Martha Jungwirth „Richard Gerstl, Bildnis der Schwestern Fey”, 2015 Quelle: VG Bild-Kunst Bonn 2022 Foto: Lisa Rastl Anzeige

Auch Kunsthallen-Direktor Gregor Jansen hat Jungwirths expressive Gemälde erst vor drei Jahren in einer New Yorker Galerie kennengelernt. Die Kraft, die von diesen Werken ausgeht, hätte ihn so stark gefangen genommen, dass er sofort Kontakt zur Künstlerin aufgenommen habe, sagt Jansen. „Eine derart selbstbewusste eigenständige Malerei habe ich schon lange nicht mehr gesehen.“

Was ist an Martha Jungwirths Kunst so eigenständig? Was macht sie für uns heute so attraktiv, dass sich Museen und Galeristen darum reißen? Das Schlüsselwort ist gute Malerei. Martha Jungwirth verfolgt konsequent ihren eigenen Stil und hat ihn im Laufe der Jahrzehnte perfektioniert. Dabei sind es im Wesentlichen drei Parameter, die ihre Handschrift charakterisieren.

Flotte Pinselstriche

Zum einen ist da die Lust an der Darstellung von Figuren und Gegenständen. Unterschiedliche Motive wie Menschen, Landschaften, Blumensträuße, bisweilen auch aus der antiken Mythologie und immer wieder Tiere finden sich in ihren Bildern; etwa „Francisco de Goya. Der Hund“ oder „Das Trojanische Pferd“. Auch „Lady Gaga“ ist ihr ein Porträt wert, mit flotten Strichen wird die Sängerin fixiert. Jungwirths Figuren werden allerdings nicht eins zu eins wiedergegeben, sondern abstrahiert. „Ich erfinde eine malerische Sprache, ein äquivalent zur starren realistischen Welt. 20 Prozent die reichen, um ein paar Objekte wiederzuerkennen“, beschreibt sie ihre Arbeitsweise in einem Gedicht.

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Die zweite, starke Säule ist die Farbe. Da sind es vor allem die vielfältigen Rottöne und das aggressive Gelb, die sich vorlaut in den Vordergrund spielen. Pastos drückt, streicht, wischt die Malerin die Ölfarben auf kartonartigen Malgrund. Der energievolle Auftrag ist entscheidend für die Wirkung der Bilder. „Ein Bild zu malen, muss in einem Zug gehen, schnell und körperbetont“, erklärt sie ihre Arbeitsweise. Wichtig dabei seien ein rasches Auge und gute Beinarbeit. Gute Beinarbeit? Man stellt sich vor, wie Jungwirth vor der Leinwand hin- und hertänzelt und dabei Farbhiebe setzt. In Jungwirths Welt geht es allein um Malerei. Sie will „keine Metaphysik, keinen Okkultismus, keine Philosophie“, wie sie schreibt.

Eine Besonderheit dieser Düsseldorfer Schau ist auch die Serie „Corona-Tagebuch“. Es sind kleinere Werke auf Karton, in denen die Malerin während des Lockdowns ihre direkte Umgebung festhält – wie den Blick aus ihrem gelben „Corona-Gefängnis“. Man spürt, wie solche Krisen-Werke weniger skizzenhaft pointiert, sondern eher flächig, melancholisch sind.

„Das Dackelpferd im Circus Busch“ von Martha Jungwirth, 2021 Quelle: VG Bild-Kunst Bonn 2022 Foto: Ulrich Ghezzi Lesen Sie auch Documenta Das antisemitische Bild, das niemanden stört

Eine wesentliche Veränderung gibt es dann doch noch bei Jungwirth. Das sind die Formate. Das Triptychon „Tutanchamun“ misst stolze neun Meter in der Länge, und die schöne „Maja I“ räkelt sich auf einer Leinwand von rund drei Metern. Dass die Künstlerin seit einigen Jahren in diesem Format arbeiten kann, ist eine Folge ihres (finanziellen) Erfolgs, durch den ihr nicht nur eine höhere Aufmerksamkeit zuteilwurde, sondern der sie auch in die Lage versetzte, ein größeres Atelier zu beziehen.

Für Martha Jungwirth ist ihre – wenn auch späte – Anerkennung ein Glücksfall. Jüngst verriet sie „Arte“: „Hoffentlich halte ich gesundheitlich noch einige Zeit durch“.

Ausstellung: Martha Jungwirth in der Kunsthalle Düsseldorf; bis zum 20.11.

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