Studie aus Düsseldorf: So oft wird gegen die Mietpreisbremse verstoßen

Veröffentlicht am 20.11.2022 Michael Fabricius Leitender Redakteur Immobilien Laut einer Studie verstößt mehr als jeder vierter Vermieter gegen die Mietpreisbremse Quelle: pa/Andreas Franke Erstmals zeigt eine ausführliche Untersuchung des Teilmarkts Düsseldorf über Jahre hinweg, dass Vermieter massenweise gegen die Mietpreisbremse verstoßen. Manche Mieter haben Anspruch auf hohe Rückzahlungen. Doch die Rechtslage ist kompliziert. Was Mieter dazu wissen sollten. Anzeige Anzeige

Viele Mieter blicken mit Sorge auf die steigenden Energiekosten. Im kommenden Jahr dürften für Millionen Haushalte die Abschlagszahlungen steigen. Gleichzeitig ist aber auch die Mietbelastung immer weiter gestiegen – und das nicht selten auf unzulässig hohe Beträge.

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Wer in den vergangenen Jahren einen neuen Mietvertrag abgeschlossen hat, zahlt vor allem in Großstädten häufig zu viel Miete. Das zeigt eine bisher einmalige Untersuchung des Düsseldorfer Wohnungsmarkts, die am Freitag vorgestellt wurde. Demnach ist etwa jede vierte Mietwohnung in der Landeshauptstadt unzulässig teuer, da sich die betreffenden Vermieter nicht an die Regeln der Mietpreisbremse halten.

Betrachtet wurden mehr als 22.000 Wohnungsinserate aus den vergangenen drei Jahren. Bei über 5700 Wohnungen bestehe der Verdacht auf einen Verstoß gegen die Preisbremse, heißt es in der Studie des Analyseunternehmens Mietenmonitor im Auftrag des Düsseldorfer Mietervereins.

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Die Analysten betrachteten die nach Ausstattung und Lage übliche Vergleichsmiete in allen Stadtteilen Düsseldorfs und verglichen diese mit den in den Inseraten verlangten Mieten. Laut Mietpreisbremse dürfen diese im Normalfall höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. So ist es im Gesetz geregelt.

Doch das sei in 26 Prozent der Fälle nicht so, stellten die Mietenmonitor-Experten fest. Wer einen entsprechenden Vertrag schließt oder in den vergangenen Jahren abgeschlossen hat, zahlt teilweise beträchtlich hohe Summen zu viel an seinen Vermieter.

Bei 50 Prozent der Verdachtswohnungen werde die Grenze der Mietpreisbremse um mindestens 80,70 Euro und damit 968 Euro jährlich überschritten. Bei 75 Prozent der als zu teuer identifizierten Angebote werden mindestens 33,12 Euro monatlich zu viel verlangt – und somit 397 Euro pro Jahr.

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Vermehrt treten Verstöße in den zentralen und teuren Lagen der Stadt auf: „In der Altstadt und Carlstadt ist fast jede zweite Vermietung verdächtig“, heißt es in der Studie. „Viele Mieter dürften einen Anspruch auf hohe Rückzahlungen haben“, sagt der Vorsitzende des Düsseldorfer Mietervereins, Hans-Jochem Witzke.

Quelle: Infografik WELT

Die Studie gilt zwar nur für Düsseldorf, doch das Phänomen gibt es in unterschiedlicher Ausprägung bundesweit – überall dort, wo die Länder eine Mietpreisbremse eingesetzt haben, also in rund 410 Städten und Gemeinden. Bei Mietverhältnissen, die ab dem 1.4.2020 geschlossen wurden, können Mieter zu viel gezahlte Beträge bei einem Verstoß gegen die Mietpreisbremse rückwirkend zurückfordern. Bei Mietverhältnissen, die vor dem 1.4.2020 geschlossen wurden, müssen sie den Vermieter zunächst rügen und dürfen überzahlte Beträge erst ab dem Zeitpunkt der Rüge zurückverlangen.

Vor allem in der Hauptstadt werden Marktkennern zufolge ebenfalls überhöhte Preise verlangt. „Das Ausmaß dieser Gesetzesbrüche durch Vermieter ist erschreckend“, sagt Ulrike Hamann, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins. Der Beratungsbedarf zur Mietpreisbremse sei enorm. „Nicht alle wissen jedoch von ihren Rechten, insbesondere Menschen, die aus Ländern mit einem weniger starken Mietrecht in die Stadt ziehen“, so Hamann.

Das Problem mit der Mietpreisbremse

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„Für Berlin rechne ich mit einer höheren Zahl als in Düsseldorf“, sagt Daniel Halmer, Gründer und Geschäftsführer des Rechtsdienstleisters Conny. „Es dürften nach unserer Einschätzung eher 50 Prozent der Vermieter sein, die sich nicht an die Mietpreisbremse halten“, so Halmer, dessen Unternehmen Mietern über Inkassoverfahren bei der Rechtsdurchsetzung hilft.

Der Deutsche Mieterbund verlangt seit Jahren eine Vereinfachung der Mietpreisbremse. Außerdem solle sie bundesweit gelten. Denn die Preisregel, vorgegeben im Bürgerlichen Gesetzbuch (Paragraph 556d), muss von den Ländern per Verordnung in Kraft gesetzt werden. Manche Länder scheiterten daran, begingen Formfehler, und Gerichte kassierten die Preisbremse ein.

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Quelle: WELT / Viktoria Schulte

Andere Länder, etwa auch Nordrhein-Westfalen, änderten im Laufe der Zeit die Geltungsgebiete. So gab es anfangs in 25 Städten und Gemeinden in dem bevölkerungsreichsten Bundesland eine Mietpreisbremse. Heute sind es noch 18: Aachen, Bielefeld, Bocholt, Brühl, Erkrath, Frechen, Hürth, Kleve, Langenfeld (Rheinland), Leverkusen, Meerbusch, Monheim am Rhein, Neuss, Paderborn, Ratingen, Sankt Augustin und Troisdorf.

„Rational, sich nicht an Pflichten zu halten“

Die Preisbremse gilt auch nicht für jede Wohnung und jeden Fall. Bestandsschutz etwa gibt es für Vormieten, die bereits über der zulässigen Miete gelegen hatten. Neubauten, die nach dem 1. Oktober 2014 erstmals genutzt und vermietet wurden, sind ebenfalls ausgenommen. Auch für umfassende Modernisierungen gilt eine Ausnahme.

Auch für möblierte Wohnungen gilt die Mietpreisbremse – anders als oft behauptet. Hier dürfen Vermieter lediglich einen Zeitwertzuschlag für den Wert des Mobiliars verlangen.

Über alle Ausnahmen und Sonderfälle müssen Vermieter die Interessenten vorab informieren – was sie häufig nicht oder lückenhaft tun, kritisiert Rechtsanwalt und Conny-Chef Halmer. „Meistens wird bei Vertragsschluss nur kurz eine Information gezeigt, es gibt dann aber keine Begleitdokumente, die dies belegen. Das Risiko, die Informationspflicht nicht einzuhalten, ist für Vermieter zudem sehr gering. Kann der Mieter einen Verstoß nachweisen, müssen Vermieter lediglich für zwei Jahre die Miete absenken. Danach geht sie wieder hoch. Es ist gewissermaßen rational, die Aufklärungspflichten zu verletzen.“

Es ist kompliziert. Und Mieter, die den Eindruck haben, dass ihr Vermieter gegen die Preisbremse verstößt, müssen das mit diesem direkt klären, im Streitfall sogar auf zivilrechtlichem Wege. In Städten mit hoher Nachfrage wagen viele Mieter diesen Schritt nicht, weiß Halmer: „Vor Vertragsschluss traut sich kaum ein Mieter, den Vermieter auf Mietpreisbremse und Auskünfte hinzuweisen – damit sortiert man sich ja quasi aus.“

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Das Grundproblem der Mietpreisbremse, so der Autor der Studie, Martin Peters, ist deshalb, dass sie nur im direkten Streit gezogen werden kann. „Sie sieht keine Sanktionen für Verstöße vor“, so Peters. Vermieter müssten lediglich zu viel gezahlte Miete zurückzahlen, ein Bußgeld falle nicht an. „So haben Vermieter keinen direkten finanziellen Anreiz, sich aus eigenen Stücken an die Mietpreisbremse zu halten.“

Mietvereins-Chef Witzke schlägt deshalb vor, „dass die Stadt Düsseldorf die Anbieter von zu teuren Wohnungen schriftlich ermahnt und auf die Einhaltung der Mietgrenzen drängt. Das wäre eine flächendeckende, rechtlich und sozial wirkende Maßnahme im Sinne der gesamten Bürgerschaft. Ähnlich geht zum Beispiel die Stadt Freiburg bereits vor.“

Die Stadt im Süden Baden-Württembergs hat ein Referat für bezahlbares Wohnen geschaffen, dass ab einer bestimmten Grenzüberschreitung die Vermieter mahnt. So werden Mieter zum Teil aus dem Spiel genommen.

Das Analyseunternehmen Mietenmonitor erfasst bundesweit Online-Wohnungsinserate und erhebt in derzeit etwa 60 Städten Daten auf Basis der ortsüblichen Vergleichsmiete – auch in Freiburg, dem Sitz des Unternehmens. Dort wird Mietenmonitor auch vom Vermieterverband Haus & Grund unterstützt.

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